Dies Domini – Zweiter Adventssonntag, Lesejahr B
In einem Tagesspiegel-Interview dieser Tage beschreibt Woody Allen seine Sicht auf die letzte Zukunft der Welt und jedes Einzelnen und antwortet auf die Frage, ob er an etwas Übernatürliches glaube:
„Nein, es gibt nur das, was wir vor uns sehen. Wir haben nur ein Leben und wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Es gibt keinen Gott, keine Magie, kein tieferen Sinn im Universum. Eines Tages wird die Sonne ausbrennen und das Leben auf der Erde zu Ende sein. Alles, was Shakespeare geschrieben oder Beethoven komponiert hat, wird keine Rolle mehr spielen.“
Bei seiner anfänglichen Erklärung, er sei ein romantischer Realist, mag das der Journalist nicht glauben und meint, das sei aber sehr finster:
„Ja, die Welt ist sinnlos und nicht zu verstehen. Auf der anderen Seite sind meine Handlungen im Alltag alles andere als realistisch motiviert. Ich habe in meinem Leben sehr viele dumme Dinge gemacht, weil ich Situationen nicht realistisch eingeschätzt und meine Entscheidung danach ausgerichtet habe. Ich komme mir sehr intelligent vor, wenn ich über das große Ganze nachdenke, und ziemlich dumm, wenn ich mich in die Niederungen des Alltags begebe.“
Offenbar kann man eine zauberhafte und manchmal wundervoll romantische Sicht auf die Welt haben und doch sehr pessimistisch sein.
Ganz anders klingen die Lesungen des 2. Adventssonntages, wenn es bei Jesaja heißt, jedes Tal solle sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken.
„Was krumm ist, soll gerade werden, und was hügelig ist, werde eben. Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, alle Sterblichen werden sie sehen.“ (Jes 40,4f.)
Nach dem Glanzpunkt des Zwischengesangs, in dem der Psalmist beschreibt, wie es sein wird, wenn die Herrlichkeit des Herrn im Lande wohnen wird: „Es begegnen einander Huld und Treue, Gerechtigkeit und Friede küssen sich. Treue sprosst aus der Erde hervor; Gerechtigkeit blickt vom Himmel hernieder“ erläutert dann der 2. Petrusbrief, dass keiner zurückbleiben soll und das allein dies der Grund für das Ausbleiben der unmittelbaren Wiederkunft Christi ist: „er ist nur geduldig mit Euch, weil er nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern dass alle sich bekehren“ (2 Petr 3,9).
So vorbereitet, fasst dann der Evangelist Markus die Vorgeschichte bei Jesaja auf Jesus hin zusammen, wenn er von Johannes sagt, dieser sei eben der Rufer in der Wüste, der auffordert, dem Herrn den Weg zu bereiten: Ebnet ihm die Straßen.
Diese jahrtausendealten Bilder, die so klar und plastisch die Sehnsucht des Menschen beschreiben nach Frieden, Treue, Gerechtigkeit – alles nichts, wenn die Sonne ausbrennt und das Universum erlischt, all die überwältigenden Zeugnisse von den Fähigkeiten des Menschen zur Schönheit – ob Shakespeare oder Beethoven: alles nichts? Das nennt Woody Allen realistisch? Diesen Aufwand und diese wundervollen Gipfel der Schönheit, das leistet sich eine in sich sinnlose Welt? Wozu? Wie realistisch ist es anzunehmen, die Welt und die Menschen, in all ihren wunderbaren Werken, seien die Folge sinnloser Zufälle? Natürlich, wer glaubt, er müsse nur eine bestimmte Anzahl Buchstaben solange durcheinander werfen, bis eines Tages einmal ein Shakespear‘sches Drama entstanden ist oder wenn er es in Noten versucht, Beethovens Neunte, der mag sich ans Werk begeben und werfen; aber wird man ihn nicht besser einfühlsam und sanft, aber doch bestimmt, darauf hinweisen, dass bei ihm wohl eine Schraube locker sein müsse?
Unsere Welt hat oft genug Gelegenheit gegeben und tut es noch, an ihr und der Güte Gottes, die sich in ihr immer wieder offenbart, auch oft genug zu verzweifeln, wenn das Leid übermenschlich wird. Und es ist nicht theologisch schräg, sondern höchst nachvollziehbar und verständlich, wenn man mit Nikolaus Schneider oder Romano Guardini diese Frage an den allmächtigen Schöpfer stellen will, wenn wir uns endgültig begegnen, warum zum Heil all diese fürchterlichen Umwege, das Leid, die Schuld. Aber diese Seite der Sinnlosigkeit vermag doch nicht zu zerstören, was Hunderte von Generationen vor uns ersehnt und erbetet haben und was doch auch unsere Sehnsucht ist: „Es begegnen einander Huld und Treue, Gerechtigkeit und Friede küssen sich.“
Von Herzen wünsche ich Ihnen die kleinen Vorauszahlungen auf diese Herrlichkeit, zu der wir – nicht nur im Advent – unterwegs sind.
Ihre Dipl.-Theol. Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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